Teil II – Zerstörung des Astoria – Erste Neustartversuche

Umbau zum Propaganda-Kino – Zerstörung – Rettung des Inventars

Am 1. September 1944 erhielt Fritz ungebetenen Besuch „von 15 Häuptlingen“ der NSDAP-Reichsleitung Gau Weser-Ems[22]. Sie ordneten die Umwandlung des Astoria-Theatersaals in ein Kino an. 

[22] Mündliche Aussage von Fritz in der Vernehmung vor dem öffentlichen Kläger am 23. Dezember 1947.

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Hintergrund war eine Anordnung von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der am 10. August 1944 alle Veranstaltungen mit nichtkriegsmäßigen Darbietungen verboten hatte. „Man (…) bot mir auch einen gewissen Prozentsatz als Ausgleich an. Notgedrungen musste ich hierzu meine Zustimmung geben.“ Nun ging es um die „Einrichtung eines „behelfsmäßigen Lichtspieltheaters“ im Astoria. Mit dem Umbau betraute Fritz, wie üblich, Architekt Ostwald, der – ohne baupolizeiliche Genehmigung – schon am 2. Oktober sämtliche Vorarbeiten abgeschlossen, das Inventar des Theatersaals ausgeräumt und sichergestellt und mit der Aufstellung des neuen Gestühls begonnen hatte. Sein Schreiben an die Baupolizei war denn auch kein regulärer Bauantrag, sondern lediglich eine Mitteilung über die vollzogenen Umbaumaßnahmen: „Im Auftrag der Ufa-Verwaltung- Zentrale Bremen[23] – überreichen wir anliegend einen Grundrissplan des „Astoria“ in doppelter Ausfertigung (…) Auf Veranlassung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda über das Reichspropagandaamt Oldenburg soll als Ersatz für die bei den letzten Angriffen zerstörten Filmtheater allerschnellstens im „Astoria“ eine Ausweichmöglichkeit geschaffen werden. (…) Wegen der Wichtigkeit der propagandistischen Betreuung der Bevölkerung soll das Filmtheater bereits am Freitag, den 6. Oktober 1944 (rot unterstrichen – d. Verf.) in Betrieb genommen werden.“ Das hätte von der Sache her – abgesehen von den zu erwartenden geringeren Einnahmen – eigentlich eine nüchterne Angelegenheit sein können, zumal „die dafür erforderlichen baulichen Veränderungen außerordentlich gering (waren) und sich auf eine Abtrennung der für das Theater vorgesehenen Räume von den jetzt für den Restaurationsbetrieb in Anspruch genommenen Speiseräume beschränkten“[24] – was auch dem 1932 erfolgten Einbau des Filmvorführraumes zu verdanken war, der nun für einen regulären Kinobetrieb zur Verfügung stand. Auch die Zahl der fest installierten 491 Plätze entsprach der Anzahl der Theaterplätze. Aber wie nicht selten bei Fritz wurde daraus eine unglaubliche Geschichte, dieses Mal den Zeitläuften und nicht seiner Phantasie geschuldet. Just am 6. Oktober 1944, dem Tag der geplanten Eröffnung, bombardierten 246 Flugzeuge der Royal Air Force die Altstadt von Bremen und legten u.a. das Astoria in Schutt und Asche. Da nützte es auch nichts, dass die deutsche Bürokratie, zuverlässig wie immer, auch – oder vielleicht gerade – in Kriegszeiten, gerade noch rechtzeitig die Baugenehmigung ausgestellt hatte.

[23] Die „Ufa“ war faktisch ein staatlicher Betrieb unter dem Einfluss von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels.
[24] Brief von J.W .Ostwald an das Baupolizeiamt Bremen vom 2. Oktober 1944. Bauarchiv beim Bausenator  Bremen.

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Den besonderen Umständen entsprechend, kam sie vom Polizeipräsidenten persönlich, stilgerecht mit einer Liste von 15 Sicherheitsvorschriften für das „Behelfskino im Lokal Astoria in der Katharinenstraße 33“, unter anderen diese: „Die Schlusszeiten sind 1 ½ Stunden nach der amtlichen Verdunkelungszeit, wie in den Tageszeitungen veröffentlicht, festzusetzen.“

Der Schaden bestand lediglich in den geringeren Einnahmen während der fünf Wochen bis zur Zerstörung des Gebäudes. Der Betrieb in den Restaurationsräumen – und im Atlantic Café – ging ja weiter. Demgegenüber stand der glückliche Umstand, dass er das gesamte Inventar des Theatersaals, das der festen Bestuhlung des Kinos hatte weichen müssen, hatte ausbauen und sicherstellen dürfen.[25]  Es wird ihm nach dem Krieg noch große Dienste erweisen. [26] Es kam einer Verhöhnung überlebender Verfolgter gleich, was Fritz in einem Schreiben an den „review board“ behauptete: [27] „Im September 1944 ist meine Astoriabetrieb sogar ein Opfer der nationalsozialistischen Machtbestrebungen geworden. Man hat mich aus meinem eigenen Betrieb hinausgesetzt, so dass ich mich mit Fug und Recht als ein Opfer des Faschismus bezeichnen kann.“[28]

[25] Die Angabe über das sichergestellte Inventar machte er in seinem Antrag an den Bausenator auf Einrichtung eines Varietés in einem Teil des Lloyd-Gebäudes. Darüber berichtet auch Senator Theil auf der Sitzung der Baudeputation am 10. März 1948. StAB 4,29/1-103, Sitzungen der Baudeputation 1948, TOP 7. 
[26] Das intakte Mobiliar weckte Begehrlichkeiten. Am 14. Mai 1946 schlug ihm sein ehemaliger Direktor Angustus Völk vor, ein von ihm geplantes Tanzkabarett mit den Möbeln des Astoria einzurichten. Fritz würde die Lagermiete sparen und das Inventar vor Verfall retten. Völk würde Miete bezahlen oder Fritz mit 10% am Reingewinn beteiligen. Dazu ist es nicht gekommen. Brief an die Ehefrau Elisabeth Fritz.
[27] Seit Sommer 1945 wurden in allen vier Besatzungszonen auf Anordnung der Alliierten Ausschüsse für die
Opfer des Faschismus (OdF) gegründet. Durch die Bereitstellung von Nahrung, Kleidung und Wohnungen
leisteten sie wichtige Hilfen für ihre Mitglieder. Sie überprüften auch die die Rechtmäßigkeit von finanziellen Ansprüchen. Vgl. Wikipedia, Stichwort „OdF-Ausschüsse“ am 6.03.2021.
[28] Schreiben an die Militärregierung „review board branch“ Bremen. Polizeihaus, vom 4. November 1946.

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Das Astoria nach dem Bombenangriff vom 6. Oktober 1944. Foto: Broschüre „50 Jahre Astoria Theater Bremen“

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1945 Start-Versuch im Tivoli – Entlassung und Vermögenssperre

StAB Senatsregistratur R.1.m.Nr.20 „An Zivil-Verwaltung der Freien Hansestadt Bremen“

Man mag es kaum glauben, dass schon in den ersten Tagen nach der Kapitulation die Regierungskanzlei der Freien Hansestadt Bremen eine Anfrage erreichte, ob „die Wiedereröffnung eines dem „Astoria“ ähnlichen Betriebes möglich sei“. Sie war in schriftlicher Form an Erich Vagts gerichtet, der seit dem 4. Mai von den Alliierten als „Regierender“ Bürgermeister eingesetzt worden war. Geschrieben hatte sie aus guten Gründen nicht Fritz, sondern seine Sekretärin Toni Paßmann, die nicht Mitglied der NSDAP war.

Wenn es also einen Mann der ersten Stunde im Nachkriegs-Bremen gegeben haben sollte, dann war es Emil Fritz. Schon im Mai 1945 hatte er das Tivoli An der Weide 10 von der Stadt gepachtet.[29] Das Hauptgebäude, noch am 23. März 1945 Opfer eines Bombenangriffs, war zerstört. Aber ein Nebengebäude war beschädigt stehen geblieben. Darauf hatte es Fritz abgesehen.

[29] Es befand sich seit 1911 in städtischem Besitz.

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Das Tivoli hatte eine lange Geschichte: zunächst Theater, dann – nach einem Brand 1890 und Wiederaufbau – üppiger Neubau mit einem Konzertsaal im Obergeschoss für 3000 Personen, sowie Theater und Varieté im Untergeschoss. Von 1916 bis 1925 war es Operettentheater mit 1800 Plätzen, dann – möglicherweise mit einer Unterbrechung von 1940 bis 1942[30] – Filmtheater.[31] Was Fritz an Initiativen folgen ließ, war erstaunlich. Am 22. Januar 1946 konnte er Bürgermeister Kaisen (in einem Gesuch, auf das noch genau einzugehen sein wird) Folgendes mitteilen: „Nach der Kapitulation habe ich begonnen, wiederum einen neuen Betrieb im Tivoli-Nebengebäude, das schwer beschädigt war, einzurichten. Der Aufbau war nur unter größten Mühen und Opfern möglich, denn die Schäden waren bedeutende. So musste das ganze Dach neu gedeckt werden, schwere Gebäudeschäden waren zu reparieren, mit denen wir jetzt nahezu fertig sind.“[32]

Fritz hatte sich nicht mit einer Baugenehmigung aufgehalten. In den -Akten des Bausenators findet sich weder ein Bauantrag noch die entsprechende Genehmigung.[33] Wie so oft zog er es vor, erst Fakten zu schaffen. Ihm dürfte klar gewesen sein, dass der Bauantrag für ein Varieté angesichts der großen Wohnungsnot keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die „Trümmerfrau“ jener Tage war das Symbol für den Mangel an Baustoffen.[34]

[30] Nach Angaben von Fritz hatte die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) zeitweilig dort ein
Varieté im Stil des Astoria eingerichtet. Aussage vor dem öffentlichen Kläger am 23.12.47. Dok 17. Das
könnte in jenen beiden Jahren gewesen sein. Ab 1942 war es wieder ein (Ufa-) Filmpalast.
[31] Vgl. dieBauakte des „Tivoli“ in 5 Bänden im StAB 4,125/1-537 bis 541, vgl. auch Herbert Schwarzwälder,
Das Große Bremen-Lexikon, 2. Aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Band 2, L-Z, Bremen
2003, Stichwort „Tivoli“, S. 889/890.
[32] Gesuch an Bürgermeister Kaisen vom 22. Januar 1946, Senator für das Bauwesen „Wiederaufbau des Astoria“
[33] Vgl. Bauakte Tivoli a.a.O.
[34] So lehnte der Bausenat in einer Amtsleiterbesprechung am 14. Februar 1946 „wegen herrschendem Materialmangel und der allgemeinen Lage“ den Antrag der „Union Filmtheater“ ab, das Tivoli-Foyer als Speiserestaurant einzurichten. Amtsleiterbesprechungen des Senators für das Bauwesen(1945/1946). StAB 4,29/1-96

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Das „Tivoli“ An der Weide 10 in den dreißiger Jahren – StAB Bildarchiv 10, B Kartei 4931.
Bombenangriff vom 23. März 1945. Das Hauptgebäude ist zerstört. – StAB Bildarchiv 10, B Kartei 4931

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Im Herbst 1945 trat überraschend ein weiterer Interessent für das Tivoli auf. Arthur Scheibner, ehemaliger Kapellmeister der Emil-Fritz-Betriebe, hatte die Absicht, eine „Vergnügungsgaststätte auf genossenschaftlicher Grundlage“ in Bremen einzurichten. Dafür hatte auch er das Tivoli in den Blick genommen, und als er erfuhr, dass Fritz es schon gepachtet hatte, versuchte er, diesen davon zu überzeugen, dass er wegen seiner „stadtbekannten Nähe“ zu führenden Nationalsozialisten keine Aussicht auf eine Gewerbelizenz hätte. Scheibner, dem die Parteimitgliedschaft von Fritz bekannt war, verwies ausdrücklich auf das einige Tage vorher, am 26. September, von der amerikanischen Militärregierung erlassene Gesetz Nr. 8, das die Entlassung von NSDAP-Mitgliedern aus allen verantwortlichen Stellen aus der Privatwirtschaft vorsah.[35] Fritz lehnte sein Ansinnen empört ab und beendete das Gespräch mit der Bemerkung, Scheibner wolle ihm das Totenhemd anziehen, bevor er gestorben sei.[36]
Zu dieser Zeit verfügte er noch über sein Privatvermögen.

Es kam, wie Scheibner es erwartet hatte. Wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP wurde Fritz nach Gesetz Nr. 8 die Tätigkeit als Varieté-Direktor untersagt. Er durfte nur noch als einfacher Arbeiter tätig sein. Sein Vermögen wurde blockiert.[37] Das geschah Ende November/Anfang Dezember. Am 20. Dezember beantragte er ein „Vorstellungsverfahren“, in dem es um die Aufhebung dieser Maßnahmen ging.

Gesuch an Bürgermeister Kaisen vom 22. Januar 1946

Am 22. Januar, noch bevor der Untersuchungsausschuss getagt hatte, wandte sich Fritz in einem langen Brief an den „Präsidenten des Senats, Bremen, Rathaus“[38]: „Mein ganzes in einem Menschenalter ausgebautes Lebenswerk ging innerhalb weniger Stunden verloren.“

[35] Vgl. Hans Hesse, Konstruktionen der Unschuld. Die Entnazifizierung am Beispiel von Bremen und
Bremerhaven 1945 – 1953. Bremen 2005 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt
Bremen., hrsg. Von Adolf E. Hofmeister, Band 67), S. 41. Das Gesetz galt auch für die „Enklave Bremen.“
Näheres zum Gesetz Nr. 8 siehe folgende Kapitel.
[36] Scheibner berichtete darüber in einem Brief an den Prüfungsausschuss für das Vorstellungsverfahren von Fritz
am 7.Mai 1946, Dok 117.
[37] Die amerikanische Militärregierung hatte schon Mitte August 1945 auch in Bremen
damit begonnen, über die „Special Branch“ NSDAP-Mitglieder aus leitenden wirtschaftlichen Stellungen zu
entfernen. Anfang August 1945 kamen zwei speziell zur Entnazifizierung ausgebildete amerikanische Offiziere
in die Bremer Enklave (Major J.W. Boyd und Leutnant J.S. Morse.) Sie nahmen am 27. August 1945 ihre
Arbeit mit dem neuen Fragebogen auf, der 131 Fragen umfasste. Im Oktober 1945 bestand die „Special Branch“ aus fünf Offizieren und 39 geschulten deutschen Mitarbeitern. Vgl. OMGUS. Handbuch. Die amerikanische Militärregierung in Deutschland 1945 – 1949. Hrsg. Von Christoph Weisz, München 1944
(Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Hrsg. Vom Insitut für Zeitgeschichte. Bd. 35), S.649/650
[38] Senator für das Bauwesen, Akte „Wiederaufbau des „Astoria“, 604/28e, Dokument 601/2; In: StAB 4,29/1-583.

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Er berichtet von den Opfern und Mühen, die es ihn gekostet hätte, das schwer beschädigte Nebengebäude des Tivoli wieder so herzurichten, dass dort die Einrichtung eines Varietés möglich wäre. „Die Bremer Bevölkerung (…) verlangt nach guter Unterhaltung. (…) „Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass Sie, sehr verehrter Herr Bürgermeister, unterrichtet sind, dass meine Betriebe einmal ein besonderer Anziehungspunkt für die Stadt waren, den Fremdenverkehr belebten und einen guten Ruf im In- und Ausland genossen. Ich hoffe, auch noch einmal einen wirklichen Anziehungspunkt für die Stadt Bremen schaffen zu können und eine Unterhaltungsstätte von Kultur neu ins Leben zu rufen.“ Das Berufsverbot kümmerte ihn nicht sonderlich, denn er ging davon aus, schon bald wieder als Varieté-Direktor tätig sein zu dürfen: „Mein Vorstellungsverfahren läuft, und die für mich vorgebrachten Entlastungen sind so stark, dass ich bestimmt damit rechne, in ganz kurzer Zeit als Nominal-Genosse anerkannt zu werden.“ Das hätte bedeutet, dass er nach Zahlung einer geringen Geldbuße seinen Beruf hätte ausüben und über sein Vermögen verfügen können. Was ihn in diesem Schreiben umtrieb, war eine andere Sorge: Er hatte erfahren, dass „die in obigem Gebäude für mich beschlagnahmten Räume (gemeint: an mich verpachteten Räume; d. Verf.) erneut beschlagnahmt und als Büros für die freien Gewerkschaften eingerichtet werden.[39] (…) Deshalb bitte ich nochmals, sehr geehrter Herr Bürgermeister, das große Unglück, das mich betroffen hat, nicht noch durch Beschlagnahme des neuen Betriebes zu vergrößern, sondern mir zunächst einmal die Chance zu geben, nach beendetem Vorstellungsverfahren den Betrieb zu eröffnen.“

Er hatte keine Chance. Die schützende Hand, die Bürgermeister Kaisen 1948 über ihn halten würde, war noch nicht stark genug. Sieger waren die Gewerkschaften, die am 26. Juni 1946 in das Gebäude des früheren Tivoli-Cafés einzogen.[40] Ihnen verkaufte die Stadt am 30. Januar 1947 das Grundstück An der Weide 6 – 13 für 600.000 Reichsmark. [41]

[39] Der Bausenat unter Senator Theil hatte den Gewerkschaften schon am 28.11.1945 die Erlaubnis erteilt, das frühere Tivoli-Café auszubauen. Senator für das Bauwesen (1933-1953). Amtsleiterbesprechungen 1945/1946. StAB 4,29/1-96
[40] Fritz Peters, Zwölf Jahre Bremen.1945 – 1956. Eine Chronik. Bremen 1976, S.58. Unter dem Brief steht eine
Notiz vom 25.9.1946: „Vorstehendes Schreiben ist inzwischen überholt.“ Quelle: Vgl. Anm. 31.
[41] In namentlicher Abstimmung entschied die Mehrheit der Stadtbürgerschaft von SPD/KPD mit 41
Stimmen gegen die bürgerliche Opposition von BDV/CDU mit 33 Stimmen. Fritz Peters, a.a.O., S. 100. 1957 wurde das alte Café des Tivoli abgerissen und der heutige fünfgeschossige Neubau begonnen.

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Schreiben an den Präsidenten des Senats vom 22. Januar 1946; im Briefkopf gibt es schon wieder die E.F.Betriebe Astoria + Atlantic, Bremen; man beachte die Adresse der „Zentrale“: Knochenhauerstraße 6-7.

Die erste Münchhausiade: Das Tivoli zwei Mal aufgebaut

Schon in diesem ersten Schreiben in Sachen Entnazifizierung finden wir eine Geschichte, die wir Münchhausiade nennen wollen: „Trotz meines hohen Alters von 69 Jahren“ (er war 67 Jahre – d.Verf.) „habe ich sofort begonnen, einen neuen Betrieb im Tivoli-Hauptgebäude zu errichten. Kurz vor der Fertigstellung wurde auch dieser Betrieb wieder durch Bomben-Volltreffer total zerstört.“[42] Fritz behauptete damit, dass die „Nazi-Häuplinge“ das Tivoli für ein halbes Jahr (von der Zerstörung des Astoria am 6. Oktober 1944 bis zur Zerstörung des Tivoli-Hauptgebäudes am 23. März 1945) geschlossen hätten, um ihm die Wieder-Einrichtung des gerade geschlossenen Astoria-Betriebs zu ermöglichen. Hatte man ihn nicht gerade zur Schließung des Astoria gezwungen, weil auf einen Befehl Goebbels „nicht kriegsmäßige Darbietungen“ verboten waren? Und war der Grund für den Umbau in ein Kino nicht gewesen, dass es wegen der Kriegszerstörungen nicht mehr genügend Lichtspieltheater in Bremen gab?

[42] Brief an den Präsidenten des Senats vom 22. Januar 1946, a.a.O.

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Ausgerechnet das Tivoli, seit 1942 unverzichtbares Propaganda-Kino der Ufa, sollte für die Einrichtung seines Varieté-Programms Platz gemacht haben. Was wäre bei dem „Bomben-Volltreffer“ auf das Tivoli-Hauptgebäude mit dem alten Inventar des Astoria geschehen, das unversehrt 1950 wieder in das neue Astoria eingebaut werden konnte?

Es ist mühselig, aber notwendig, diese und andere erfundene Geschichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, denn sie machen einen wesentlichen Teil des Verfahrens aus. Die Phantasie ihrer Schöpfer reicht von einfachen Lügen bis zu überflüssigen Ausschmückungen, wie in diesem Fall. Da geht dann die Fabulierlust mit den Erzählern durch. Es komm auch vor, dass die verschiedenen Versionen ein und derselben Geschichte, zu verschiedenen Zeitpunkten erzählt, schon in sich widersprüchlich sind. Die Erzählung über dieses Verfahren soll dann auch mit einer letzten Münchhausiade enden.

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